Interview mit Gertrud Schüttler

Präsidentin des Hamburger Chorverbands

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" ...Ich war beeindruckt von der Eröffnungsfeier in der Paulskirche

und ebenfalls von dem großartigen Festkonzert in der Jahrhunderthalle...

Frankfurt hat sich als eine musikliebende Stadt erwiesen... "

Gertrud Schüttler

 


Zur Person:

 

Gertrud Schüttler ist Präsidentin des Hamburger Chorverbands gebürtige Rheinländerin

und in Köln großgeworden.

 

Sie stammt aus einer musikalischen Familie, in der das Singen selbstverständlich war.

 


Frau Schüttler, was hat Sie motiviert mit dem Chorsingen zu beginnen und wie lange sind Sie bereits aktive Sängerin?

 

Gertrud Schüttler:

Da ich bereits als Kind angefangen habe, im Chor zu singen, habe ich darüber zunächst ganz wenig nachgedacht: es hat mir einfach Spaß gemacht. Ich stamme allerdings aus einer musikalischen Familie, in der das Singen selbstverständlich war. Da auch meine Eltern im Chor sangen, bin ich bereits mit 16 dem heimatlichen Kirchenchor beigetreten.

 

Ich stamme aus Köln, und mit 18 hatte ich dann schon den Ehrgeiz und das Glück, im Kölner Gürzenich-Chor aufgenommen zu werden (der damals von Prof. Günther Wand geleitet wurde). Durch diverse Umzüge sang ich im Laufe der Zeit in verschiedenen weiteren Chören, seit 1975 in Hamburg - alles zusammengerechnet komme ich auf

ca. 47 Jahre als aktive Sängerin.

 

 

Wie haben Sie die Präsentation der Hamburger Chöre in Frankfurt und das Chorfest 2012 im Allgemeinen empfunden?

 

Gertrud Schüttler:

Die vier Hamburger Männerchöre, Hamburger Liedertafel, Hamburger Männerchor Adolphina, Männerchor Quartett Mozart, Männerchor Salia und die Chorgemeinschaft Ohe haben ein abwechslungsreiches Programm gestaltet, dass mir persönlich und offensichtlich auch dem Publikum gut gefallen hat.

 

Der gewaltige Männerchorklang stand im angenehmen Kontrast zu dem differenzierten Gesang des gemischten Chores. Das betraf auch die Liedauswahl - von maritimen und plattdeutschen Liedern zu mächtigen Opernchören und kleinen feinen Kabinett-stückchen wie den Liedern nach Gedichten von Ringelnatz.

 

Als Präsidentin des Chorverbands Hamburg war ich mit dieser Präsentation sehr zufrieden. Das Chorfest bot so viele tolle Konzerte, dass mir die Wahl schwer fiel.

 

Ich war beeindruckt von der Eröffnungsfeier in der Paulskirche und ebenfalls von dem großartigen Festkonzert in der Jahrhunderthalle. Dazwischen bin ich von Spielstätte zu Spielstätte gewandert und habe sehr unterschiedliche Chöre und Chorwerke erlebt.

Die Begeisterung ringsum war ansteckend, die meisten Singräume sehr gut besucht

und der Römerberg immer überfüllt.

 

Frankfurt hat sich als eine musikliebende Stadt erwiesen; für mich waren es

wundervolle vier Tage.

 

 

Lassen sich heute Kinder und Jugendliche noch für das Chorsingen begeistern,

und welche Aktionen des Deutschen Chorverbands gibt es diesbezüglich?

 

Gertrud Schüttler:

Bei Kindern ist der Spaß am Singen leicht zu wecken - es ist ihnen/uns angeboren. Jugendliche haben durch Schule und Beruf oft zu wenig Zeit und zu viele andere Verpflichtungen und Hobbies. Aber wer bereits als Kind gesungen hat, kommt später als Erwachsener eher wieder darauf zurück. Deshalb fördert der Deutsche Chorverband mit allen seinen angeschlossenen Landes- und Einzelverbänden speziell das Singen im Kindergarten.

 

Seit dem Jahr 2000 gibt es die Auszeichnung FELIX, für die eine Kita bestimmte Kriterien erfüllen muss, z.B. tägliches Singen, kindergerechte Tonhöhe und Liedauswahl,

sowie Einbeziehen von Bewegungsspielen und rhythmischen Instrumenten.

Speziell ausgebildete Beraterinnen des Chorverbands unterstützen die Erzieherinnen dabei. Außerdem bemüht sich der Deutsche Chorverband, dass auch in den Schulen wieder mehr und regelmäßig gesungen wird und weist auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Ausbildung der Lehrkräfte hin.

 

 

Kann das Chorsingen das gesellschaftliche Zusammenwirken

von Menschen verbessern?

 

Gertrud Schüttler:

Eindeutig Ja; es ist das Erste, was Kinder beim gemeinsamen Singen lernen: man muss aufeinander hören, aufeinander achten, damit es gut klingt. Die Chöre sind soziale Gemeinschaften, in denen sich die Chormitglieder nicht nur als Sängerinnen und Sänger fühlen und bewähren, sondern als Partner oder sogar Freunde, die sich auch in anderen Situationen des täglichen Lebens zur Seite stehen. Wenn unsere Politiker auch miteinander singen würden, würde manche Sitzung besser und vielleicht effektiver verlaufen.

 

 

Wie sehen Sie die Zukunft des Chorsingens in Deutschland?

 

Gertrud Schüttler:

Nach dem oft beklagten Niedergang des "deutschen Gesangs" spürt man seit einigen Jahren wieder einen regelrechten Aufschwung. Ich beobachte mit Freuden, das viele junge Menschen neue Chöre gründen, in denen sowohl klassische geistliche Musik gesungen wird, als auch Musik aller Stilrichtungen.

 

Hier fallen vor allem die Jazz- und Pop Chöre auf, zu denen sich Jüngere natürlich besonders hingezogen fühlen. Und das Beste daran ist, sie sind richtig gut, haben talentierte Chorleiter, die mit ihren Mitgliedern beste Ergebnisse erzielen.

Der Chorwettbewerb beim Chorfest lieferte dafür viele Beweise.

 

 

Frau Schüttler, wir bedanken uns für das Interview.

 

(Das Interview wurde im Rahmen des Deutschen Chorfest 2012 in Frankfurt

von Klaus Leitzbach geführt).

 

Die Reportage hinter dem Interview hier